Zertifizierte 3D-Druck Teile in der britischen Bahn

In der Bahnindustrie ist, anders als in der Automobilindustrie wo Millionen von Fahrzeugen gefertigt werden, die Anzahl der Fahrzeuge vergleichsweise gering. Unter anderem diese geringen Stückzahlen haben Angel Trains, den führenden britischen Anbieter für die Eisenbahnindustrie, dazu bewogen Alternativen zu traditionellen Lieferketten zu suchen und mit Hilfe des 3D-Druck neue Wege in der Produktion von Bahn-Teilen in geringer Stückzahl zu gehen.

Herausforderungen für Zugbetreiber

Das 1994 gegründete Unternehmen Angel Trains ist der führende Anbieter von Schienenfahrzeugen für die britische Eisenbahnindustrie. Angel Trains finanziert und liefert hochwertige Züge an britische Verkehrsbetriebe. Jedes Jahr tätigt Angel Trains dazu erhebliche Investitionen in innovative Lösungen zur Modernisierung und Verbesserung der britischen Zugflotten. Eine der größten Herausforderungen für das Unternehmen besteht darin, Alternativen zu den traditionellen Lieferketten für Ersatzteile zu finden. Denn diese können den wachsenden Anforderungen immer schwerer gerecht werden.

Denn anders als in der Automobilindustrie, die jedes Jahr Millionen von Fahrzeugen in Massenproduktion herstellt, ist die Anzahl der Flotten in der Bahnindustrie vergleichsweise sehr klein und in einigen Fällen über 30 Jahre alt. Diese Kombination bringt einige Herausforderungen für die Zugbetreiber mit sich, insbesondere bei der Wartung und Ersatzteilversorgung.

„In letzter Zeit beobachten wir bei den Betreibern eine wachsende Besorgnis darüber, dass die Beschaffung von Ersatzteilen für ältere Zugflotten zu angemessenen Kosten und in kurzer Zeit immer schwieriger wird“, erklärt James Brown, Data and Performance Ingenieur bei Angel Trains. „Das Problem besteht darin, dass es mit den herkömmlichen Fertigungsmethoden nur kosteneffizient möglich ist, große Mengen an Ersatzteilen zu produzieren. Auch wenn ein Betreiber vielleicht nur einige wenige veraltete Zugteile ersetzen muss. Die Vorlaufzeiten können Monate dauern, was das Problem noch weiter verschärft.“

Armlehnen aus dem 3D-Druck in der britischen Bahn
3D-gedruckte Armlehne im Zug der Chiltern Railways - 94 % schneller hergestellt als mit herkömmlichen Fertigungsmethoden.

Daher hat sich Angel Trains mit DB ESG und Stratasys zusammengetan, um Zugbetreibern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie diese Hürden durch den 3D-Druck von Teilen für die Bahn in geringerer Stückzahl, in einem Bruchteil der Zeit und zu geringeren Kosten als bei herkömmlichen Methoden überwinden können. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit führte zu den ersten 3D-gedruckten Bauteilen, die je in einem in Betrieb befindlichen Personenzug in Großbritannien eingesetzt wurden. Dazu gehörten vier Passagierarmlehnen und sieben Haltegriffe, die in die Züge von Chiltern Railways eingebaut wurden.

Signifikante Einsparungen bei Produktionskosten und Durchlaufzeiten

Stratasys‘ Lösung für die Bahnindustrie umfasst bahntaugliche Materialien und produktionsfähigen FDM 3D-Druck. Dies ermöglicht Angel Trains eine erhebliche Zeit- und Kosteneffizienz beim Austausch von Teilen, wie die Installation der Armlehnen bei Chiltern Railways zeigt.

Die Vorlaufzeit für dieses Ersatzteil würde bei konventioneller Fertigung etwa vier Monate betragen. Nach Angaben von Brown kann die endgültige Armlehne nun innerhalb einer Woche mit der Stratasys‘ Rail Industry Solution hergestellt werden. Dies bedeutet eine Verkürzung der Vorlaufzeit um fast 94%. Brown glaubt auch, dass damit Kosteneinsparungen von bis zu 50% pro Bauteil erreicht werden können.

„Ein veraltetes Ersatzteil kann 3D-gedruckt und sofort eingebaut werden. Dies ermöglicht es den Betreibern, ihre Züge besser zu warten und die Fahrzeuge schneller wieder in Betrieb zu nehmen. Dadurch verbessert sich die auch Servicequalität für die Fahrgäste.“

James Brown, Data and Performance Engineer, Angel Trains

Ähnliches gilt für den Haltegriff am Sitz, das Ersatzteil war veraltet und der ursprüngliche Lieferant nicht mehr verfügbar. Um neue Haltegriffe herzustellen, wäre ein neues Fertigungs-Werkzeug erforderlich. Dieses würde bis zu 15.000 £ kosten und müsste mit einer voraussichtlichen Vorlaufzeit von zweieinhalb Monaten produziert werden. Mit der Stratasys Rail Industry Solution waren die Haltegriffe in nur drei Wochen und zu deutlich niedrigeren Stückkosten hergestellt.

„Dies ist für die britische Eisenbahnindustrie eine spannende Zeit“, sagt Brown. „Mit der Rail Industry Lösung von Stratasys können Zugbetreiber viel schneller auf den Austausch von beschädigten oder zerstörten Teilen reagieren. Ein veraltetes Ersatzteil für die Bahn kann bei Bedarf im 3D-Druck erstellt und sofort eingebaut werden. Dies ermöglicht es den Betreiber, ihre Züge besser zu warten und die Fahrzeuge schneller wieder in Betrieb zu nehmen. Dadurch verbessert sich auch die Servicequalität für die Fahrgäste.“

Erreichen der Teilzertifizierung

Um die Anforderungen einer Zertifizierung von 3D-gedruckten Teilen für den Einsatz in Personenzügen zu erfüllen, hat die DB ESG umfassende Tests mit einer Reihe von industriellen 3D-Druck-Materialien durchgeführt. Die finalen Teile sind mit einer Stratasys Fortus 450mc aus ULTEM™ 9085 resin gedruckt. Der hochpräzise Produktionsdrucker verfügt über eine große beheizte Baukammer. Somit erfüllen die Teile die strengen Toleranzen und Wiederholbarkeitsanforderungen der Industrie. Große Einzelteile oder mehrere kleinere Teile drucken dabei in einem Durchgang . 2019 wurde ULTEM™ 9085 resin nach der Norm EN45545-2 für Brandschutz, Rauch und Toxizität in der Bahnindustrie zertifiziert. Eine Premiere für die Bahnindustrie!

3D-Druck Haltegriffe in einer Bahn der Chiltern Railways.

Martin Stevens, Leiter Maschinenbau bei DB ESG, kommentiert: „Mit dieser Zertifizierung wird ein großes Hindernis beseitigt, das eine breitere Einführung des 3D-Drucks in britischen Zügen bisher verhindert hat. Unsere Aufgabe bei diesem Projekt bestand darin, das Design, die Produktion sowie die Fertigstellung von Teile zu prüfen. Und ob die mit der FDM 3D-Druck Technologie von Stratasys hergestellten Teile den Bahn-Normen entsprechen und dass sie in der Betriebsumgebung funktionieren. Wir haben zudem auch das Bauteildesign für die FDM-Fertigung optimiert.“

Weitere Verbesserung des Fahrgasterlebnisses

Mit der nun möglichen Kleinserienproduktion, prüft Angel Trains bereits, wie sie die Rail Industry Solution nutzen kann, um die Innenausstattung von Zügen besser an die Bedürfnisse der Fahrgäste anzupassen.

„Wir haben 3D-gedruckte Rückenlehnentische mit Blindenschrift getestet. Diese weisen den Passagier darauf hin, dass sich die Toilette zehn Reihen hinter dem jeweiligen Sitz befindet“, so Brown. „Dieses Maß an individueller Anpassung ist beispiellos und außerdem nur durch den 3D-Druck möglich. Dies hat das Potenzial, das Erlebnis für die Fahrgäste in Zukunft erheblich zu verbessern.“ Nach dem Erfolg des Modellversuchs bei Chiltern Railways hat die Gruppe ein wiederholbares Verfahren für künftige Projekte eingeführt, das Teile produziert, die den Normen der Eisenbahnindustrie entsprechen und die für den Einsatz in Personenfahrzeugen geeignet sind. Aufgrund der positiven Resonanz der Zugbetreiber, wird das Dreier-Konsortium den Einsatz von 3D-gedruckten Teilen in britischen Personenzüge mit einem weiteren Anbieter ausweiten. Diese Entwicklung, soll die Schienenproduktion wie wir sie kennen, verändern.

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